Turkmenistan V – Das Herz schreit “raus hier”!
Vertrauen? Vorsicht!
Wir kamen also gegen 7 Uhr Ortszeit morgens in Daşoguz an. In Teil IV könnt ihr gerne nachlesen, was für spannende Gestalten sich in mein Nachtzugabteil gesellt hatten. Der nette Herr, von dem ich überzeugt war, dass etwas mit ihm nicht stimmt, schlug mir vor, sein Dorf in der Nähe der Stadt besuchen zu kommen. An und für sich eine coole Idee. Er kam aus Gubadag, sagte er mir, einige Kilometer nördlich. Zufälligerweise lag mein Tagesziel, die alte Ausgrabungsstätte namens Konye Urgench, in der gleichen Richtung. Er wusste das und lud mich zu sich ein. Er würde dann gemeinsam mit mir zu besagter Stätte fahren. Irgendwie war er aufdringlich, aber ich war ja froh, dass überhaupt jemand mit mir sprach… Was also tun? Was hättet ihr getan? Ich schlug erstmal vor in ein Hotel zu fahren, kurz die Beine hochzulegen. Ich nahm seine Telefonnummer mit und würde ihn später anrufen und zum Markt in Daşoguz kommen, dort würden wir weitersehen.
Hotel wider Willen
Er gewann mein Vertrauen, indem er einem Taxifahrer einen “Einheimischen”-Preis aufs Auge drückte, um mich zu besagtem Hotel zu fahren. Mein Ziel war das Hotel Sabat. Es sieht aus wie ein Fremdkörper, ein riesiger Komplex, der am Straßenrand steht wie ein Ministerium, ganz ohne Besucher. Ich checkte ein und wieder waren es zwei sympathisch wirkende alte Frauen. Ich gab ihnen meinen Pass und 10$, was überraschend wenig ist für ein Hotelzimmer in einem offiziellem Hotel in Turkmenistan.
Die Gänge rochen modrig. Der Fahrstuhl außer Betrieb. Ein roter, gefühlt 100 Meter langer Teppich lag traurig und reglos auf den schier endlos wirkenden Treppenstufen. Der Putz fiel von der Decke und Lichtstrahlen von draußen schienen gar Angst vor dem Gebäudeinneren zu haben. Summa summarum: Es war nicht sehr einladend. Mein Zimmer war quasi aus Sperrholzplatten zusammengeklebt und erinnerte an meine Absteige einen Tag zuvor. Der Balkon war ein Lichtblick, wortwörtlich, jedoch ließ sich die Tür nicht schließen.
Vertrauen? Vorsicht! Teil II
Ich ruhte mich etwa eine Stunde lang aus. Nachdem ich wach wurde, fühlte mein Körper sich schwer an. Oder war es meine Seele? Obwohl ich ein komisches Gefühl hatte, zog ich mich an und wollte samt gepackter Tasche den Damen an der Rezeption die Telefonnummer meines neuen “Bekannten” zeigen, um nach Konye Urgench zu gelangen. Reisebüros gab es weit und breit keine. Die Damen waren überfordert und zeigten auf ein kleines Büro, was sich im Gebäude am anderen Ende versteckte. Ich lief hinüber und klopfte an das 50cm x 50cm-Fenster. Es öffnete ein Anfang 40-jähriger Mann namens Ashyr. Das Zimmer entpuppte sich als Übersetzungsbüro. Der Inhaber war äußerst sympathisch, der englischen Sprache mächtig und hörte mir interessiert zu. Er brachte meine Gefühle auf den Punkt, indem er sagte. “Yeah, sure. I call your friend. But how long do you know him?” Mist. Da war es wieder. Dieses unwohle Gefühl. Ich kannte ihn gar nicht und empfand ihn die gesamte Zugfahrt über als komisch. Ashyr hatte recht, aber ich wollte keinen Rückzieher machen, und so kam es, dass er mir ein Taxi rief, um zu besagtem Treffpunkt am Markt zu gelangen. Der mysteriöse Mann aus dem Zug war bereits am Straßenrand und wartete auf mich. Obgleich wir uns nur mit Händen und Füßen verständigen konnten, machte er mir klar, dass er erst zu sich nach Gubadag fahren wollte und im Anschluss nach Konye Urgench. Diese spontane Planänderung überzeugte mich wenig, eher im Gegenteil. Ich lehnte entschlossen ab und kehrte ihm den Rücken zu. Diese unsichere Spontanität brachte mein Fass des Unwohlseins zum Überlaufen. Meine Beine trugen mich den ganzen Weg zurück zum Hotel: Das unwohle Gefühl hatte gesiegt. Während ich die Stufen des Ministeriumskomplexes namens Hotel Sabat empor ging, sah ich Ashyr grinsend rauchen. Er wusste sofort was los war, ich musste nichts erklären. Das einzige, was ich ihm zurief: “Can you arrange a taxi-roundtrip to Konye Urgench?” Er bejahte und bei ihm fühlte ich mich wesentlich besser aufgehoben.
Die Taxifahrt
Gegen 12 Uhr mittags kam das Taxi. Ashyr fragte mich ob 6,70$ für mich okay seien. Ich hatte mit 40-50$ gerechnet und so versprach ich dem Taxifahrer 10$, wenn alles reibungslos laufen sollte. Der Fahrer war zwar ein typischer Taxifahrer, aber durchaus modern und aufgeschlossen. Er war ca. 25-30 Jahre alt und nahm zwei Frauen aus der Umgebung mit. Sie wurden bald als Angehörige enttarnt, die diese Fahrt für sich zu Nutzen wussten. Es war mir sehr recht, da auch diese beiden Frauen charmant und offen mir gegenüber waren. Als Kirsche auf der Torte, schmiss der Fahrer eine Runde turkmenischen Energydrink ins Auto. Fazit: Nicht besser oder schlechter als Europäische. Bauchschmerzen check.
Die Fahrtdauer von Daşoguz nach Konye Urgench betrug etwa eine Stunde. Dabei durchquerten wir einige wirklich ärmliche Dörfer. Die Kinder spielten im Staub und die Esel riefen nach Wasser. Am Stadtrand von Konye Urgench gab dann erneut eine positive Überraschung. Ashyr hatte mich bereits instruiert, dass sein kleiner Bruder mir die Ausgrabungsstätte zeigen könnte. Es klang wie eine Kaffeefahrt, weshalb ich skeptisch war, aber auch froh nicht alleine herumspazieren zu müssen. Er stieg ins Taxi und stellte sich vor. Sein Name war Asad und er sprach fließend englisch. Das Studium absolvierte er in Istanbul und Kharkiv. Nach zehn Minuten des Beschnupperns kamen wir am Ziel an.
Konye Urgench
Urgench ist eine Stadt in Usbekistan. Konye ist ein turkstämmiges Wort für “alt” und das Alte Urgench liegt in Turkmenistan. Wie der Name bereits andeutet, ist es eine verlassene Ausgrabungsstätte. Dort steht ein Minarett, eine alte Moschee und Koranschulen. Sämtliche Gebäude sind teils verfallen, teils wieder aufgebaut. Es ist nicht so spektakulär wie die Städte Usbekistans, aber die Einsamkeit kommt natürlich einer Charmeoffensive gleich. Dort kam mir eine Gruppe Frauen entgegen, die nach langer Zeit etwas im Gesicht trugen, dass ich vermisste – Lächeln und freudige Gesichtszüge. Asat erzählte mir viel über Konye Urgench damals wie heute. Er selbst kehrte zurück, um der Jugend eine Perspektive zu bieten. Sein Englisch ist hier kostbar und die Schule profitiert enorm von ihm, dabei ist er selbst gerade einmal Anfang 20.
Anruf aus Pyöngyang
Gerade als wir miteinander auftauten, passierte etwas Merkwürdiges. Der Mann, am Eingangstor rief Asat zu sich. Ich musste nachträglich meinen Pass abgeben, bis ich die Anlage verlassen würde. Viel Spielraum zur Diskussion bietet Turkmenistan nicht, was aber dann geschah überraschte mich abermals. Ungefähr zehn Minuten später klingelte Asat Telefon. Sein Bruder war am anderen Ende, jedoch nicht Ashyr aus Daşoguz, sondern ein dritter Bruder, der Soldat ist und in einem Ministerium in Ashgabat arbeitet. Asat sagte mir hinterher, ich brauche nicht zu glauben, man wüsste nicht wohin ich mich bewege. Sein Bruder fragte ihn, mit welchem Ausländer er denn unterwegs sei. Meine Identität wurde bestätigt und ich wurde als “harmlos” eingeordnet, weshalb ich weiterreisen durfte. All das bestätigte mir mein Unbehagen an diesem komischen Flecken Erde. Unabhängig von diesen merkwürdigen Ereignissen, war seine Führung wirklich gut, und ich fühlte mich sicher, deswegen wollte ich Asat für sein Schulprojekt ein paar Dollar überlassen. Er insistierte jedoch ablehnend, was mir natürlich ein gutes Gefühl bezüglich seiner wahren Absichten bescherte.
Bordell, da war was…
Erschöpft und erleichtert, dass alles geklappt hatte, kehrte ich in mein einladendes Hotelzimmer zurück. Ich machte ein paar Fitnessübungen bis ich das halbe Bad unter Wasser setzte beim Versuch des Duschens mit einem kaputten Schlauch. Es war ca. 20 Uhr als ich mich auf die Pritsche legte. Meine Gedanken waren wohlwollend, dieses komische Land am kommenden Tag gen Usbekistan zu verlassen.
Der folgende Tag sollte mich in eine Stadt führen namens Khiva, die ich bereits 14 Jahre zuvor mit meinem Vater bereist hatte. Hinzu kam, dass Zabzi mit dem Flugzeug nachts anreisen und ich somit nicht mehr auf mich alleine gestellt sein würde. Ich war glücklich das Abenteuer überstanden zu haben bis… auf einmal tosender Lärm im Gang erklang. In meiner Naivität gefangen, dachte ich zunächst, eine turkmenische Großfamilie war eventuell für eine Hochzeit angereist, doch dann bemerkte ich, dass keinerlei Kinderstimmen unter den grölenden Erwachsenen waren. Die Frauenstimmen waren kreischend und kamen aus den Zimmern. Die Männer waren in Zweier-, Dreier- oder Vierer-Gruppen unterwegs. Sie schlugen betrunken wirkend gegen die Türen, auch gegen die Meinige. Irgendwie klangen manche aggressiv, manche erheitert, ich war letzteres jedoch ganz und gar nicht. Wo war ich denn nun wieder gelandet? Richtig! In Rolands angekündigtem Puff. Ich wurde aus meiner usbekischen Einschlaf-Fantasie gerissen und war im turkmenischen Albtraum angekommen. Meine Balkontür konnte nicht verriegelt werden. Meine Hotelzimmertür verstärkte ich mit einem davor geschobenen Nachttisch und neben mein Bett legte ich für mein Sicherheitsempfinden mein Taschenmesser. “Wenn das die ganze Nacht so weiter geht”, dachte ich nur. Doch dann kam sie, die Sperrstunde! Sie erlöste mich und vermutlich auch die Frauen in den Zimmern. Die Männerschaaren waren verschreckt von der möglichen Konsequenz des Überschreitens der Sperrstunde und krochen schnell in ihre Ehebetten zurück, bevor die turkmenische Polizei ausschwärmte. Um 23 Uhr mit kleiner Verspätung wurde es totenstill auf dem Gang und ich schlief endlich mit ruhigem Herzen ein.
Bye bye Führer der Turkmenen!
Um zehn erwachte ich aus meinem Albtraum, packte euphorisiert meinen Backpack, checkte aus, nahm meinen Pass und ging zu Ashyr mit der Bitte, er solle mir ein Taxi zur Grenze bestellen. Einer seiner Bekannten fuhr mich kostenlos. Ein weiteres positives Zeichen zum Abschied, dass seine Freunde und Familie nicht dem Ruf des Geldes verfallen waren. An der Grenze beäugte man mich wie ein Alien. Die Grenzbeamten waren das Gegenteil von den Beamten bei der Einreise (siehe Teil I). Sie waren höflich und hilfsbereit, schleusten mich quasi nach draußen und ich musste meine Tasche nicht erneut ausbreiten. Das Stativ blieb zusammengebaut. Sicherheitshalber hatte ich sämtliche Fotos auf mein Handy geladen und in die Dropbox hochgeladen. Viel hatte ich ohnehin nicht fotografiert. An der Grenze gab es einen kleinen Shuttlebus, der die Ausreisenden durch das ca. zwei Kilometer breite Niemandsland zur usbekischen Seite fuhr. Die Einreise lief problemlos, ich erkannte die Einreisestempel sogar wieder. Es waren die gleichen wie vor 14 Jahren und ich damit „zuhause“ oder zumindest fühlte es sich danach an. Meine letzten turkmenischen Manat nahm der Taxifahrer auf der usbekischen Seite dankend an und fuhr mich in die Stadt meiner Vergangenheit – das usbekische Khiva (Xiva). (siehe auch Blog 1 Usbekistan)
Resumé
Es blieb kaum Zeit mein Gefühl der Bedrängnis zu verarbeiten, da diese Rückkehr nach 14 Jahren nahtlos das Gefühl der Nostalgie in mir auslöste (lest selbst im Usbekistan Blog), doch ein paar Worte lassen sich mit Abstand resümieren
Würde ich nochmal hinreisen? Vielleicht.
Kann ich es empfehlen? Vielleicht.
Das Gefühl der ständigen Beobachtung und Kontrolle haben in mir ein empathisches Mitgefühl des Verständnisses für Menschen aus der DDR als auch der Hitlerzeit ausgelöst. Ich fühle mich nach nur fünf Tagen allen Geschichten aus neun Jahren Schulzeit mehr verbunden als nach eben diesen neun Jahren. Unsere Freiheit in Europa ist für mich nun schützenswerter denn je geworden.
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